365 Tage im Jahr überstehen sie Häme und mediale Kritik. Im Verhältnis dazu ereilt sie nur selten ein Lob oder ein gutes Wort der Anerkennung. Man bevorzugt Tadel vor Leistung, Suspektes vor Lobenswertem, kurzum, unsere Magistratinnen und Magistraten müssen gut im Einstecken von Kritik sein, über dicke Haut, einen harten Kopf und ein Selbstvertrauen aus Granit verfügen, um einigermassen unbeschadet zu wirken. Besonders jene, welche über das Mittelmass hinauswachsen und zuweilen excellent sind. Denn es geschehen Zeichen und Wunder - auch gerade zur Weihnachtszeit passend. Wir nennen Bundespräsident Moritz Leuenberger. Politisch zwar nicht unbedingter Erfolgsgarant als vielmehr geistreicher Redner und gelegentlich auch bizarrer Komponist politischer Eigenarten. Nicht besonders geeignet für delikate Verhandlungsführung etwa mit Deutschland, wenig strapazierbar in Fragen internationaler Zusammenhänge; er gilt hierzulande vielmehr als Mann der leisen Töne, als (vielleicht auch oft unfreiwilliger) Meister der Ironie und des Zynismus, ein feinfühliger Mann von schrägem Humor, zuweilen dogmatischer Lehrerhaftigkeit, Buchautor und vieles mehr. Er verblüfft erneut mit neuen Facetten, just zum Ende der Präsidialzeit: Bundespräsident Moritz Leuenbergers Auftritt am Weltklimagipfel in Nairobi war vom Feinsten. Hier plädierte ein meinungsstarker Schweizer Magistrat in weiser Voraussicht - neben Kofi Annan - für die Einführung einer globalen CO2-Taxe. Hier sprach er davon, dass es nicht nur um eine dramatische Reduktion von CO2 gehe, sondern ebenso um eine nachhaltige Finanzierung der Folgeschäden für die Hauptbetroffenen: Drittweltländer, allen voran Afrika. Moritz Leuenberger setzte sich beherzt ein für die Aermsten dieser Welt und aussenwirtschaftspolitisch aus, gegenüber den Hauptverursachern USA und China.

Dies ist eine für die Schweiz wahrlich kämpferische und mutige Haltung. Sie zeugt von Geist und Geld auf dem Boden von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Sie ist lobenswert proaktiv und engagiert für eine lebbare Welt unserer Kinder. Mit dem dringlichen Aufruf, den Kampf gegen den Klimawandel unverzüglich anzutreten, gehört dieser Auftritt zu den vielleicht denkwürdigsten, welche die Schweizer Geschichte für weltweite Anliegen zu bieten hat. Es sei bemerkt, dass der rund 700-seitige Bericht des ehemaligen Weltbank-Chefökonomen Sir Nicolas Stern nicht nur zu den wichtigsten Dokumenten gehört, die Tony Blair angeblich je in den Händen hielt, sondern auch zu den Schockierendsten: Wenn die CO2-Emission nicht dramatisch reduziert wird, bedeutet dies schon für die nächsten Jahre eine Weltkatastrophe von noch nie dagewesener Dimension; sie werde die Weltwirtschaftskrise der Dreissigerjahre weit übersteigen, lässt sich aus der politisch unverdächtigen Studie ableiten. Wenn Minister aus 180 Länder den Ruf des Schweizer Präsidenten in enger Koordination mit Kofi Annan vernommen haben, dann war dies ein Apell erster Güte von überlebenstechnischer Dimension.

Ebenso Freude macht der unbeirrte Kampf unserer Aussenministerin und Bundespräsidentin 2007, Micheline Calmy- Rey, welche nicht umsonst zur glaubwürdigsten Politikerin des Landes gewählt wurde: obwohl von 10 vor 10 am Tag der Präsidentenwahl in ihrer Leistung krass unterminiert, strahlt diese Frau aus, was magistrale Grösse gibt: Engagement, Weitblick, Werthaltigkeit, Zielstrebigkeit und Beherztheit. Hier passiert eine neue Schweizer Diplomatie der aktiven Aussenpolitik und Menschenrechtspolitik. Diese Frau gewann drei europäische Abstimmungen (trotz SVP-Referenden), lancierte die Genfer-Initiative, verzeichnet einen UNO-Senkrechtstart und holte den Menschenrechtsrat nach Genf. Eine Frau geht ihren Weg, international ausgerichtet, im Dienste der Menschen. Sie gibt der Schweiz ein prägnantes Gesicht der Humanität, will bewegen, bewirken. Sonst werde Weltpolitik ohne uns gemacht.

Vielleicht tut es gut, nach einem harten Jahr der steten Kritik ein Wort der Anerkennung an unsere wohl exponiertesten Politiker zu richten: An jene besonders, welche der Schweiz auch international Format, Gesicht und Standpunkte hinsichtlich globaler Verantwortung und Menschenrechte geben. Sie sind nachhaltige Zeichen, welche weit über die Zeit des Christkinds hinausreichen und Mut machen. Mut, diese Welt auch im Kleinen mitzugestalten, die Stimme zu erheben, wo Unrecht geschieht - und in Momenten der Weichenstellungen unseres Planeten beizutragen. Solche beherzten Menschen sind ein Geschenk. Sie zeugen von Menschlichkeit und einem Gesicht der Schweiz auch aussenpolitisch, das lebt und etwas zu sagen hat.

 

Wollen Sie 2024 zu Ihrem Jahr machen?
Wir sind Ihr Sparring-Partner!