Die politischen Wahlen haben viele Nervenstränge strapaziert.
Zugeschüttet mit mannigfacher Stillosigkeit und parteipolitischen Peinlichkeiten, litten auch Dickhäuter und wenig Sensible öfters unter politischen Verdauungsproblemen.

Veritabler Wahlklamauk, Polit-Possen, innenpolitische Klima-Erwärmung in der Folge von Diffamierungskampagnen haben vielen zugesetzt. Man hat uns nichts erspart: Komplottheorien blockierten sachpolitische Auseinandersetzung von Nationalrat bis Bundesanwaltschaft, Verschwörungstheorien und Verbalattacken setzten die Spielregeln von Anstand und Respekt weitgehend ausser Betrieb. Je hässlicher der Schlagabtausch, desto mobiler wohl die Wählerschaft. Adrenalin pur und angeheizter Positionsbezug holten Bürger an die Urne, wie seit dreissig Jahren nicht mehr. Nun ist zumindest das Parlament gewählt, am 12. Dezember folgt der nächste coup politique. Noch nie in der schweizer Geschichte hagelte es ein solches Ausmass kafkaesker Polit-Possen. Polit-Possen obendrein, die an Stillosigkeit und Hass schwer zu übertreffen sind. Wenn Polemik jede Sachpolitik lahmlegt und reine Machtpolitik ein Land überzieht, dann ist es Zeit, nachzudenken.
 
Nun hofft nicht nur die Wirtschaft auf Sach- statt Machtpolitik im Parlament, auf mehr Wettbewerb und weniger Ideologie. Auf reformwillige Kräfte, die an einem Strick ziehen, die gute Wirtschaftslage nutzen und halten. Nach hässlichen Stilblüten wollen wir Inhalt, seriöse Sachpolitik und Stil. Kurzum: die Besinnung auf das, was eine Demokratie lebbar macht: Toleranz, Anstand,  Respekt und Würde.

In einer Willensnation zu Freiheit und Unabhängigkeit hat ein solch stilloser Wahlkampf - wohlverstanden von links bis rechts - eine toxische Wirkung. Vergiftungserscheinungen gefährden den inneren Frieden. Wo politische Gegner als politische Feinde bekämpft werden, da zerfällt jeder Anstand.
 
Und da beginnt ein Imageproblem der Schweiz im Ausland, das nicht vom Tisch zu wischen ist. Wie nie zuvor berichteten ausländische Medien über den Schweizer Wahlkampf, und fast nur negativ. Welch beklagenswerte Entwicklung besonders da, wo ein Land wie die Schweiz in ihrer humanitären Tradition als Symbol einer Demokratie von Stabilität, Frieden und Sicherheit eine veritable Marke darstellt. Wenn man in der Auslandpresse von der schweizerischen "Demokratie am Rande des Nervenzusammenbruchs" liest (Spiegel) oder "In der friedlichen Schweiz blüht der Fremdenhass" (New York Times) und die Schweiz als "schwarzes Schaf Europas" (Newsweek) dargestellt wird, braucht es tiefschwarzen Humor oder genügend Gleichgültigkeit, um dies als vorübergehende Nebentöne abzutun.

Wenn die westdeutsche Zeitung schreibt: "Neu ist für uns Aussenstehende die Erkenntnis, dass auch die Eidgenossen längst nicht mehr auf einer Insel der Glückseligen leben. Arme Schweizer" und vieles mehr- dann wird es auch eng für das helvetische Ansehen, für ausländische Investoren, für den Finanzplatz Schweiz. Wie kann es sein, dass diese Stimmen in über sechzig ausländischen Medien so präzise überhört werden, und wie kann es sein, dass selbst unter Schriftstellern dieses Landes kaum Kritik zu hören ist?

Wenn Grenzen des politischen Anstands für ein paar Wählerstimmen so deutlich überschritten werden, dass eine Bundespräsidentin und selbst die UNO intervenieren müssen, braucht es ein wahrhaft unbekümmertes Naturel, dies alles als nicht so ernst zu nehmendes Polit-Marketing zu legitimieren.

Stil ist zeitlos, nachhaltig, die Folgen von Stillosigkeiten meist irreparabel. Die Ignoranz und Sorglosigkeit, mit welcher man das längst nicht mehr ganz so weisse Image der Schweiz nun auch aussenpolitisch strapaziert, lebt gewiss auch von der Schadenfreude anderer Stillosen, die mit Akribie und Freude dem gelittenen Schweizer Image noch eins draufgeben.
Es gäbe etwas zu verteidigen, was gründlich missverstanden wurde: Die grosse Mehrheit einer Schweiz, die sehr wohl über Anstand, Stil und Fairplay verfügt. Eine Mehrheit, die solch massive Missverständnisse nicht verdient hat.

 

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