Am 1. August detoniert die Schweiz mit 90% der jährlich 1500 Tonnen von Feuerwerkskörpern aus allen Ecken und Enden. Da zieht der Rauch von gegen 30 Millionen in die Luft gejagter Schweizer Franken über das Land. Das Geschäft blüht hervorrragend. Es brüsten sich die beiden Zentralschweizer Hersteller und Vermarkter von Feuerwerk, ihr Betrieb laufe auf Hochtouren. Tendenz steigend. Dasselbe Echo bei den grössten Verkäufern, die von jährlich plus fünf Prozent mehr Feuerwerkverkauf sprechen. Das stimmt nachdenklich, schreit nach Diskussion. Die nahen Fluchtwege sind begrenzt.

Des Schweizers Nationalfeiertag ist wahrlich keine Zeit der Stille und ruhigen Freude, sondern ein Höhepunkt tausender von vor- während- und danach gezündeter Feuerwerke. Die einen freut’s, die andern vertreibt’s. Vielleicht mehr sogar, als angenommen. Mit Sicherheit jene Tierbesitzer, die ihre oft in Todesangst zitternden Tiere mit einer ultimativen Flucht ins feuerwerksfreiere Ausland retten. Nein, auch der Tierschutz hat am Nationalfeiertag der Schweiz nichts verloren. Aber gar nichts.
Ein seltsames Verhalten, scheint mir. Noch sitzen die Schrecken grausamer terroristischer Attentate in den Knochen, tägliche Kriegsmeldungen aus aller Welt nähren den Wunsch nach weltweiter Friedensbereitschaft. Und im gleichen Moment wird bei uns gezündet und geknallt, dass einem das Blut in den Adern gefriert: Raketen, Vulkane, Mehrschusswerfer - wie es einem gefällt. Wieweil auch schöner die Kassen kaum klingen. Ob es wohl ein bislang unentdecktes Gen gibt, das - zumindest bei einem Teil der Menschheit - für Ersatzhandlung bei fehlendem Kriegstreiben sorgt? Die Freude jedenfalls über Farben und Formen der Abschussobjekte ist ein kleinster Bestandteil der bombastisch-akkustischen Intervention...!

Und seltsam ist dies allemal auch: wo man über Umweltschutz und Gesundheitspolitik, Unfallprophylaxe und soziales Zusammenleben in allen noch so kleinen Facetten nachdenkt, da müssten doch auch die 30 Millionen jährliche Rücksichtslosigkeit längst geregelt sein. Besonders dann, wenn die Faszination am selbstinszenierten Urknall vieler Zeitgenossen ganz offensichtlich grösser scheint als ihr Nachdenken über Folgen.

Der Einsatz von Feuerwerken und eine konsequente Abschussregelung gehören längst in die politische Diskussion der Schweiz. Kommerz hin oder her.

Die Absurdität dieses Treibens läuft proportional zu deren weitreichenden Folgen: Während die halbe Welt dem Trend zur Gesundheit, ewigen Schönheit, Jugend und Oekologie folgt, steht andererseits die begeisterte Feuerwerkgemeinde unter den eindrücklichen Rauchschwaden ihrer Feuerwerkskörper und - setzt sich den damit verbunden Krebs erzeugenden Feinstaub und Stickoxiden aus, die sie zart umgibt. Die Belastung der Luft, so liest man nach, erreiche nach dem Abbrennen von Feuerwerken gar Spitzenwerte. Menschen mit Atemwegserkrankungen hätten sie deshalb zu meiden, so auch ein Experte der Stelle für Chemikalien und Erzeugnisse in Luzern. Wo Oekologie und Gesundheit ein Thema sind, da sind die 1500 Raketen sicherlich erst recht eines.

Man nimmt - Kommerz sei dank - in kauf, dass die Belastung der Luft nach dem Abbrennen von Feuerwerk Spitzenwerte erreicht, wie sie sonst das ganze Jahr hindurch nicht vorkommen. Und wer sich erst nahe genug beim Feuerwerk aufhält, läuft Gefahr, die giftigen Abgase in voller Konzentration einzuatmen. Und zu allem Elend legen sich vielleicht sodann die Metallverbindungen auch noch im eigenen Gärtchen ab, in welchem vielleicht biologisch gezogener Salat und eigene Tomaten wachsen.
Die jährliche rund 1.5 Millionen Kilogramm (!) detonierende und kommerziell hochwirksame Dummheit wird mit etwa 1000 Tonnen Karton, Holz und Kunststoffen (später Abfall) sowie rund 240 Tonnen Schwarzpulver und 120 Tonnen Effektsätzen entsorgt - auch der Umweltschutz scheint ungehört zu bleiben. Kein schöner, lauter Land in dieser Zeit... .


Wie immer auch die kommerziellen Interessen gelagert sind, eines steht fest: wenn man mit Recht von weniger Umweltbelastung, mehr Gesundheit und sozialem Frieden in der Schweiz spricht, dann gehören diese lauten Feierlich- und Gefährlichkeiten in die politische Diskussion. Eine Feuerwerksreglementierung ist längst fällig.
Man darf gespannt sein, wann und von wem dieses Postulat aufgegriffen und dringlich behandelt wird. Die Zeit ist reif. Und uns bleibt dieses Jahr nur wenig Zeit noch für die Flucht...

 

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