Die Grausamkeit der UnbelehrbarenKolumne in: Neue Luzerner Zeitung, NLZ
Ein Tabu. Frauen dieser Welt werden beschnitten. Furcht und Angst vor ihrer Kraft und ihrem Ungehorsam bestimmen den Lauf der Entwicklung. Mit der Wahl von Joseph Ratzinger zum neuen Papst werden die düsteren ausgeschwiegenen Seiten der mittelalterlichen "Heiligen Inquisition" gegen Frauen in die Moderne gezerrt und neu beleuchtet. Kompromisslos zeigt sich der neue Papst bei Themen wie etwa Frauenpriestertum und Sexualmoral. Noch immer wird die Priesterinnenweihe kirchenrechtlich beschnitten. Wir lesen im Canon 1024 CIC: "Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter MANN". Aber ist die Diskriminierung von Personen auf Grund ihres Geschlechts nicht weltweit verboten und widerspricht sie nicht zutiefst dem christlichen Glaubensverständnis? Allein schon über den Platz der Frau in der Kirche zu diskutieren wurde von Joseph Ratzinger seit Jahrzehnten verweigert. Nun ist er gewählt, als Pontifex Maximus - derselbe Mann, der mit seiner Lehre Frau und Mann in zwei strikte Lager teilt, bei Ungehorsam durch zuviel Fragen mit Beugestrafen sanktionierte und dabei auch die Exkommunikation durchzog. Kaltstellen - was früher brannte.
In seiner Schrift "Dominus Jesus" postuliert er zudem die Ueberlegenheit der katholischen Kirche gegenüber anderen Weltreligionen. Eine Absage an den Modernismus, die Niederhaltung der offenen Diskussion in Schlüsselfragen und eine Autorität ohnegleichen fordert er, der neue Papst Benedikt XVI. Seine prominentesten Opfer: Hans Küng, Eugen Drewermann und der Befreiungstheologe in Brasilien, Leonardo Boff. Sie verstehen die Wahl wohl so wenig, wie andere Denkende dieser Welt. Jetzt müsste der Massenexodus folgen, insbesondere der Frauen. Genug der Lehre, wonach alle Männer Hirten und - die Frauen Schafe sind. Genug davon, dass den Frauen erst vor wenigen Jahrhunderten von der Amtskirche überhaupt eine Seele zugesprochen wurde. Genug davon, dass ihnen die Rechte zur Priesterinnenweihe bis heute selbstverständlich beschnitten werden. Was haben wir mit Eva am Hut? Diese Wahl ist ein Rückfall in mittelalterliche Zeiten, in welchen Millionen von Frauen im Namen Gottes von fanatischen Kirchenmännern auf dem Scheiterhaufen ermordet wurden, allein deshalb schon, weil sie Frauen waren. Und deren Rehabilitation durch die katholische Kirche mit einer Entschuldigung bei allen Frauen dieser Welt bis heute fehlt. Die Grausamkeit der Unbelehrbaren.
Die Beschneidung von Frauen und ihrer Rechte in Neuauflage also und als Dauerthema seit 2000 Jahren - oh weh. Nun ist sie ferner denn je - die Akzeptanz der Ebenbürtigkeit beider Geschlechter. Zurück bleiben jene, die sich ihre Seele und Rechte von der Kirche zurückholen. - Und gehen.
Beschnittene Frauen dieser Welt sind ein Tabu, ein von Geschichte und Blut triefender Beweis der systematischen Verletzung von Menschenrechten. Und diese Beschneidung findet auch körperlichen Ausdruck. So hat sich die UNICEF mit ihrem Solidaritätstag vom 8. März 2005 einzigartig in den Kampf gegen die weltweite Mädchenbeschneidung eingemischt. Sie wird von keiner Religion gefordert - weder Bibel, Koran noch Thora verlangen dies - sie dient allein der Unterdrückung der Frau und beschneidet sie in ihrer Unversehrtheit, Sexualität und Freiheit. Die grausame Verstümmelung des weiblichen Geschlechtsorgans - meist im frühen Kindesalter durchgeführt - ist nichts anderes, als die physische Beschneidung von Frauen auf ihr Recht, als Frau "GANZ" zu sein. Wenn bei über 130 Millionen Frauen weltweit die Geschlechtsorgane verstümmelt, herausgeschnitten und zerstört werden, wenn alle 15 Sekunden ein kleines Mädchen in unserer Welt dieses Schicksal erlebt, wenn dieses grausame Ritual mit oft tödlichen und stets lebenslangen Folgen beschwiegen wird, dann machen wir uns ALLE mitschuldig. Wenn die Hölle von Demut und Schmerz, Tod und Scham, als Frau geboren zu sein, auch in den USA und in Europa toleriert werden, ist diese Welt eiskalt und unlebbar geworden.
Diese Menschenrechtsverletzung mit folterähnlicher Praxis, vorgenommen an wehrlosen, kleinen Mädchen - ist auch ein Ab-Bild der Rechts-Beschneidung von Frauen weltweit. Was in breiten Teilen Afrikas auch im 21. Jahrhundert praktiziert wird, weil Frauen noch immer als unreine und zweitklassige Menschen gelten, trifft auch uns hier in der Schweiz.
Man schätzt, dass rund 7000 beschnittene Frauen und Mädchen in unserem Land leben. Jede Solidarität, jeder Aufschrei und jedes Engagement im Kampf gegen diese Menschenrechtsverletzung zählt.
Jede Träne lindert unsere Schuld des Schweigens angesichts dieser Grausamkeit.
Jeder Ungehorsam und jeder Schritt aus der – wie auch immer gearteten – Beschneidung der Rechte von Frauen dieser Welt - macht diese etwas besser.
Allein der Glaube an die Menschlichkeit und die Befreiung des Menschen von allen Formen der Diskriminierung und blinder Folgsamkeit kann uns in eine Welt der Zukunft tragen, in welcher Menschen endlich - nach 2000 Jahren - lernen. Und die sie vor sich selbst und ihren selbsternannten Richtern über Gut und Böse schützt.
Im Namen Gottes führt man keinen Krieg. Nicht gegen Frauen. Nicht gegen Andersdenkende. Im Namen Gottes liebt man. Und sonst geht man...