Die Frau im Haifischbecken

Liebe Leserin, lieber Leser

Als ich vor vielen Jahren zu tauchen begann, begleitete mich der Film «Der weisse Hai» bei jedem Tauchgang. Angst war es. Da war dieses Gefühl steter Bedrohung, da waren das Unbekannte, das Ausgeliefertsein und in einer latenten Opferrolle zu tauchen. Es machte jeden Dive im Meer zur Mutprobe, die mir zunehmend schwerfiel. Hier war Rat teuer. Angst ist ein diffuses, ungutes Gefühl, ihm auszuweichen kaum möglich. Ich hatte zu entscheiden: Entweder stelle ich mich der Angst und blicke ihr ins Gesicht. Oder ich höre auf, zu tauchen.

Sie wissen es; ich stellte mich der Angst. Meine Recherchen ergaben, dass es da einen Schweizer gab, der in den Bahamas als Haiforscher einen Namen hatte. Dr. Erich Ritter. Damals schrieb ich ihm eine Mail, in der Annahme, von ihm nicht oder irgendwann eine Antwort zu erhalten. Doch er schrieb mir umgehend zurück. Wollte mich treffen bei seinem baldigen Besuch in der Schweiz. Und so geschah es dann.

 

Fazit: Eine Woche Bahamas, Ausbildung im Haitauchen unter seiner Leitung.

 

Recherchen, Literaturstudium, Auseinandersetzung mit Fakten und Vorurteilen, das Facing eigener Gefühle vorher – relativierten zunehmend diese Angst. Fazit: je mehr wir uns der Angst stellen, ihre komplexe Konstellation ansehen, desto kontourierter wird sie, fassbarer, sprachlich eingrenzbar.

Aus dieser Erfahrung entstanden eindrückliche Einsichten: Die Woche unter Haien, hautnah, zahlreich, täglich in Interaktionstrainings, sie zählt zum Berührendsten meines Lebens. Der Mut, sich in diese neue Welt unter Wasser inmitten Haien einzubringen, hat uns alle verändert; wir erkannten, dass es den festen Willen braucht, die eigene Komfortzone zu verlassen und zu wagen. In der Welt der Haie zählt nur das pure Sein, keine Visitenkarte, kein Titel, keine menschlichen Privilegien und Netzwerke bestimmen hier. Nur unser Verhalten, unser Team-Work als Tauchgruppe zählte. Ein Buddy-Team muss als Einheit im fixen Abstand zueinander für den Hai als grosses Ganzes wahrgenommen werden. In diesen Tauchgruppen ist das schwächste Mitglied die Gefahr für alle; Achtsamkeit und ein enger Zusammenhalt, das Einhalten von Verhaltensregeln als Team, das Stützen der Schwächsten Team-Mitglieder und eine enorme «Awareness» für die Sprache unter uns und jene der Haie, das Beherrschen des eigenen Herzschlages, der eigenen Nervosität und die mentale Beherrschung von nicht vorhersehbaren Situationen ermöglichen relativ gefahrenarmes Interagieren mit den beeindruckenden Überlebenskünstlern der Meere.

Die Analogie zur Welt des Business liegt nahe. Das Bereitstellen von Erfolgsprämissen, die tadellose Vorbereitung eines mutigen Sprungs in Herausforderungen und – das Zusammenstellen des optimalen Teams – denn im Alleingang mit Haien zu tauchen ist naiv – sie gehören zum Abenteuer.

Dieses hat uns eine Welt eröffnet, die mehr als unter die Haut geht. Wer mit Haien taucht, verändert sich. Erlebt Demut, Relativität der eigenen «Grösse», wird klein, eingebunden in die morphischen Felder der Haie; wer mit ihnen taucht, erfährt sich für kostbare Minuten als Teil der Natur, die seinen Mut fürstlich belohnt, indem sie ihm Einblick gibt in jene Zusammenhänge der Unterwasserwelt, die als Geburtsstätte allen Seins tief erschüttert und die eigene Comfort-Zone für immer öffnet. Es ist ein Docking-Point für tiefe Fragen unseres Lebens.

Es braucht Mut, sich der Angst zu stellen.
Es braucht die richtigen Menschen, die mit uns sind.
Es braucht Demut und innere Grösse, sich auf Unbekanntes richtig einzustimmen. Und dann den Sprung zu machen.

Und es braucht – last but not least – die Verspieltheit eines Kindes, sich dem Momentum tiefer Berührung durch das Teilhaben an einer monumentalen anderen Welt des Unbekannten hinzugeben.

Diese zutiefst menschlichen Erfahrungen in die Welt der Wirtschaft, der Politik, der eigenen Entwicklung zu transferieren ist ein grosser Wunsch. Demut und innere Grösse, Mut Neues zu wagen und Empathie im Umgang mit allen Ressourcen dieses Planeten schaffen Leadership-Kräfte, die wir dringend brauchen. Und – sie verhindern Hybris und fehlende Demut im Umgang mit der eigenen Führungsverantwortung.

Auf viele mutige GrenzgängerInnen, die sich dem Abenteuer Leben stellen und als Vorbild inspirieren, wagen, immer wieder neu aufstehen, wenn etwas nicht gelingt, wohlwissend, dass Erfolg immer die Summe aller erfolgreich gemanagten Misserfolge ist!

Herzlich,
Dr. Sonja A. Buholzer, Zürich
www.sonjabuholzer.ch/www.vestalia.ch

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